Die Auswirkungen der Inflation auf kommunale Benutzungsgebühren in Niedersachsen
Veröffentlicht in:
"DIE NIEDERSÄCHSISCHE GEMEINDE" Ausgabe 1/2024 - Niedersächsischer Städte- und Gemeindebund
"NST-N Niedersächsischer Städtetag Nachrichten" Ausgabe 2/2024 - Niedersächsischer Städtetag
Verfasser: Sebastian Hagedorn, Diplom-Verwaltungbetriebswirt (FH)
Die Auswirkungen der Inflation auf kommunale Benutzungsgebühren in Niedersachsen
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Einleitung
Seit dem Krieg in der Ukraine spüren die Bürger die Inflation beim täglichen Einkauf. Die Kommunen in Niedersachsen sind bereits davor mit stark gestiegenen Preisen im Baugewerbe und bei der Beschaffung von beispielsweise Feuerwehrfahrzeugen konfrontiert. Zusätzlich wirken sich die steigenden Energie- und Lohnkosten auf den gesamten Haushalt aus. Im Besonderen sind hiervon öffentliche Einrichtungen betroffen. Dies zeigt sich bei aktuellen Gebührenkalkulationen. Die Inflation wirkt sich durch verschiedene Faktoren stärker auf kommunale Gebühren aus, als man zunächst vermuten würde.
Diese Faktoren sollen im Folgenden näher betrachtet werden. Für die Kommunalpolitik wird die Herausforderung darin bestehen, darüber zu entscheiden, inwieweit Gebührensteigerungen an den Bürger weitergegeben werden können.
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Steigende Baukosten
Besonders von der Inflation betroffen, sind die öffentlichen Einrichtungen, bei denen in den letzten Jahren neue Gebäude gebaut wurden oder Baumaßnahmen geplant sind. Die Baukosten sind in den letzten Jahren so stark gestiegen, dass einzelne Maßnahmen bereits einen erheblichen Einfluss auf die Kosten der kommunalen Einrichtung haben können. Da Gebäude in der Regel über 90 Jahre abgeschrieben werden, fließt zwar jährlich nur ein geringer Anteil der Investitionssumme in die Kostenrechnung ein. Dies kann sich dennoch erheblich auf die jährlichen Kosten auswirken, da die Abschreibungen der neuen Gebäude in der Regel ein Vielfaches der bisherigen Abschreibungen betragen.
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Steigende Kosten für kommunale Fahrzeuge
Die Preise von normalen PKW sind in den letzten Jahren gestiegen, selbst die Preise von Gebrauchtwagen haben deutlich zugenommen. Die Preise für kommunale Fahrzeuge sind im Vergleich dazu jedoch geradezu durch die Decke gegangen. Hiervon betroffen sind insbesondere die Feuerwehr, der kommunale Bauhof und die Straßenreinigung. Die Preise für Einsatzfahrzeuge haben sich in nur wenigen Jahren verdoppelt. Viele Kommunen in Niedersachsen habe in den letzten Jahren einen Investitionsstau beim Fahrzeugbestand abgearbeitet. Die Anschaffungskosten sind dabei häufig um ein Vielfaches höher, als bei den ersetzten Fahrzeugen. Dies hat in vielen Fällen zu einem sprunghaften Anstieg der Abschreibungen geführt. Entsprechende Auswirkungen zeigen sich bei den Gebührenkalkulationen.
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Steigende Personalkosten
In normalen Zeiten sind Lohnkostensteigerungen von rund zwei Prozent bei der Kostenprognose üblich. Aktuell steigen auch die Lohnkosten sprunghaft an. Ein Anstieg der Ansätze um zehn Prozent und mehr gegenüber dem Vorjahr sind nicht unüblich. In den Ansätzen sind auch Einmalzahlungen enthalten, die aufgrund der Inflation vereinbart wurden. Dieser starke Anstieg wirkt sich zum einen auf aktuelle Gebührenkalkulationen aus, zum anderen wird sich dies auch durch höhere Defizite bei der Nachkalkulation auswirken.
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Steigende Zinsen
Die aktuell stark gestiegenen Zinsen führen zu höheren Kosten bei der Aufnahme von Krediten. Die höheren Zinsaufwendungen der Investitionskredite wirken sich jedoch nicht direkt auf die Gebührenhaushalte aus, da Kredite immer der Gesamtdeckung im Haushalt dienen. Die Auswirkungen des höheren Zinsniveaus auf die Gebührenhaushalte sind jedoch noch ausgeprägter, da die Kommune das betriebsnotwendige Kapital der öffentlichen Einrichtung in voller Höhe verzinsen kann, gleichgültig, ob hierfür Kredite aufgenommen wurden oder nicht. Lediglich erhaltene Zuschüsse sind vor der Verzinsung abzuziehen.
Die sogenannte kalkulatorische Verzinsung muss dabei mit einem angemessenen Zinssatz erfolgen. Durch das steigende Zinsniveau ist künftig ein höherer Zinssatz vertretbar, als dies bisher der Fall war. Hinzu kommt, dass wie zuvor dargestellt, das betriebsnotwendige Kapital der öffentlichen Einrichtung durch die extrem gestiegenen Anschaffungs- und Herstellungskosten für Gebäude und Fahrzeuge stark zugenommen hat. In einem Fall aus der Praxis des Verfassers hat sich das betriebsnotwendige Kapital innerhalb von sechs Jahren verzehnfacht. Auch wenn dies ein Einzelfall ist, ist eine Verdoppelung oder eine Verdreifachung in diesem Zeitrahmen aktuell nicht unüblich. Die Auswirkungen des steigenden Zinsniveaus und des Anstiegs des betriebsnotwendigen Kapitals verstärken sich gegenseitig.
In den letzten Jahren haben die kalkulatorischen Zinsen nur einen geringen Anteil der Gebührenhöhe ausgemacht. Inzwischen sind sie eine bedeutende Kostenposition in der Kalkulation. Kalkulatorische Zinsen wirken sich insbesondere bei öffentlichen Einrichtungen aus, die besonders kapitalintensiv sind. Dies sind beispielsweise Abwasserentsorgung oder die Feuerwehr. Aus Sicht des Verfassers ist das höhere Zinsniveau bei der Gebührenkalkulation zu begrüßen, da durch die kalkulatorische Verzinsung der Werterhalt der öffentlichen Einrichtung sichergestellt wird. Dies entspricht dem Grundsatz der intergenerativen Gerechtigkeit.
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Unterdeckungen übertragen
Der Kostenanstieg, sowohl bei Investitionen als auch im laufenden Haushalt, war vor einigen Jahren in dieser Form nicht absehbar. Dementsprechend wurden in der Gebührenkalkulation geringere Kosten prognostiziert. In der Nachkalkulation führt dies zu einer Unterdeckung im Gebührenhaushalt. Diese Unterdeckung kann in die Folgekalkulation übertragen werden und zeigt sich in einer weiteren Steigerung der Gebühren.
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Fazit
Die Inflation wirkt sich durch verschiedene Faktoren erheblich auf die Höhe kommunaler Benutzungsgebühren aus. Zum einen steigen im Bereich der laufenden Kosten die Energie- und Lohnkosten stark an. Zum anderen haben sich in den letzten Jahren die Ausgaben für Investitionen in Gebäude und Fahrzeuge vervielfacht, wodurch sowohl die Abschreibungen als auch die kalkulatorischen Zinsen deutlich gestiegen sind. Bei den kalkulatorischen Zinsen wird dieser Effekt durch das steigende Zinsniveau zusätzlich verstärkt. Hinzu kommen Unterdeckungen aus den Vorjahren, die in die Folgekalkulation übertragen werden können. Im Ergebnis sind nach den Erfahrungswerten des Verfassers Gebührensteigerungen um 100 Prozent und mehr keine Seltenheit, vornehmlich dann, wenn die letzte Gebührenanpassung bereits mehr als drei Jahre zurückliegt. Da die Bürger bereits im täglichen Leben von der Inflation betroffen sind, ist es politisch schwierig, diese erheblichen Steigerungen in voller Höhe weiterzugeben. Viele Kommunen machen deshalb von der Möglichkeit Gebrauch, die Gebührensätze politisch zu deckeln. Gleichzeitig dürften deutliche Gebührensteigerungen derzeit niemanden überraschen.
Der Verfasser:
Sebastian Hagedorn, Diplom-Verwaltungsbetriebswirt (FH), Inhaber GKN Gebührenkalkulation und Kommunalberatung Niedersachsen
GKN Kommunalberatung ist auf die Rechtslage und Rechtsprechung in Niedersachsen spezialisiert. Die Schwerpunkte liegen in der betriebswirtschaftlichen Kalkulation von Friedhofs-, Feuerwehr- und Straßenreinigungsgebühren, Verrechnungssätzen für kommunale Bauhöfe sowie Seminare und Workshops zur Begleitung der hausinternen Kalkulation.
GKN Kommunalberatung, Meissnerweg 5, 31812 Bad Pyrmont