Die häufigsten Fehler bei der Friedhofsgebührenkalkulation – eine Übersicht für die Praxis der Gebührenkalkulation in Niedersachsen

Sebastian Hagedorn, Diplom-Verwaltungsbetriebswirt (FH), Inhaber GKN Kommunalberatung
 
Veröffentlicht in "NST-N" Ausgabe 1/2022 - Niedersächsische Städtetag
sowie in "DNG - Die niedersächsische Gemeinde" 1/2022 Niedersächsischer Städte- und Gemeindebund
Verfasser: Sebastian Hagedorn, Diplom-Verwaltungbetriebswirt (FH)
 
Die häufigsten Fehler bei der Friedhofsgebührenkalkulation – eine Übersicht für die Praxis der Gebührenkalkulation in Niedersachsen

 

  1. Einleitung – Das Problem erkennen

Der Wandel der Friedhofskultur hat sich inzwischen bei fast allen Kommunen bemerkbar gemacht. Aufgrund neuer Grabarten und sonstiger Leistungen im Friedhofswesen haben viele Kommunen in den letzten Jahren ihre Friedhofsgebührensatzungen angepasst. Eine betriebswirtschaftliche Kalkulation mit einer Gebührenkalkulation nach Art und Umfang der Inanspruchnahme wird dabei häufig nicht durchgeführt. Die Kommunen orientieren sich stattdessen an den Gebührensätzen der Nachbarkommunen oder schätzen die Gebührensätze anhand einer einfachen Einzelkostenermittlung. Auch beliebt ist die Anpassung der Gebührensätze anhand der Inflationsentwicklung. Die Auswirkungen dieser Vorgehensweise zeigen sich leider erst nach Jahren, wenn das steigende Defizit im Bereich Friedhofswesen so offensichtlich wird, dass es auch ohne Nachkalkulation auffällt.

Aus der Erfahrung des Verfassers bei der Beratung unterschiedlicher Kommunen in Niedersachsen sollen im Folgenden die häufigsten und fatalsten Fehler bei der Friedhofsgebührenkalkulation beleuchtet werden.

 

  1. Die häufigsten Fehler bei der Friedhofsgebührenkalkulation
 
Keine betriebswirtschaftliche Gebührenkalkulation

Ein großer und leider auch ein häufiger Fehler ist es, dass keine betriebswirtschaftliche Gebührenkalkulation durchgeführt wird. Bei der Umsetzung der betriebswirtschaftlichen Kalkulation hat die Verwaltung weite Ermessensspielräume. Keine nachvollziehbare betriebswirtschaftliche Kalkulation durchzuführen und die Kosten zu schätzen oder sich an den Nachbarkommunen zu orientieren, ist jedoch keine sachgerechte Lösung. Nach § 5 des Niedersächsischen Kommunalabgabengesetzes (NKAG) ist es erforderlich, dass die Kosten der öffentlichen Einrichtung nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ermittelt werden. Hintergrund dieser Regelung ist, dass durch die Gebühren die Kosten der öffentlichen Einrichtung gedeckt werden sollen. Es sollen jedoch keine Überschüsse erzielt werden. Dies kann nur nachvollziehbar überprüft werden, wenn die Gebührenermittlung durch eine Kalkulation nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen erfolgt ist. Außerdem ist es eine wesentliche Anforderung an eine rechtmäßige Gebührensatzung, dass dem Rat als Grundlage für das ortsgesetzgeberische Ermessen eine entsprechende nachvollziehbare Kalkulation bei der Beschlussfassung vorgelegt wird.

 
Die Berücksichtigung neuer Grabarten bei der Gebührenkalkulation

Das Friedhofswesen befindet sich im Wandel, dies führt in Niedersachsen zu einer wachsenden Vielfalt neuer Grabarten. Viele Kommunen haben in den letzten Jahren neue Grabarten auf ihren Friedhöfen eingeführt. Für diese Grabarten wurden in der Regel auch die Gebührensatzungen geändert, ohne jedoch eine betriebswirtschaftliche Gebührenkalkulation durchzuführen.

Neue Grabarten sind im Rahmen der Gebührenkalkulation zu berücksichtigen. Das nachträgliche Einfügen in eine bestehende Gebührenstruktur ist nicht möglich, da sich die Gebührensätze untereinander beeinflussen. Die Ergänzung neuer Gebührentarife ohne die Durchführung einer Kalkulation kann dazu führen, dass die übrigen Gebührentarife zu hoch bemessen sind. Dies hat in der Regel die Rechtswidrigkeit der Gebührensatzung zur Folge.

 
Die Überschreitung des Kalkulationszeitraums

Ein häufiger Fehler bei der Gebührenkalkulation besteht darin, dass die gesetzlichen  Kalkulationszeiträume nach dem NKAG überschritten werden. Dieser kann in der Regel auf bis zu drei Jahre festgelegt werden.

Inflationsbedingt steigen die Kosten im Friedhofswesen typischerweise laufend an. Größere Veränderungen im Bereich der gebührenfähigen Kosten können sich aber auch durch neue Abschreibungen auf Investitionen, Veränderungen im Bereich des Personals (Verwaltung/Friedhofsgärtner usw.) und durch größere Unterhaltungsmaßnahmen (Wegesanierung, Gebäudeunterhaltung usw.) ergeben. Eine regelmäßige Gebührenkalkulation sollte bei jeder Kommune selbstverständlich sein, um ein steigendes Defizit der gebührenrechnenden Einrichtung zu vermeiden. Des Weiteren verhindert eine regelmäßige Gebührenkalkulation größere Sprünge der Gebührenhöhe. Dieser Effekt kann durch die Umlage von Unterdeckungen aus der Nachkalkulation weiter verstärkt werden. Ein weiterer Vorteil einer regelmäßigen Kalkulation ist die sich daraus ergebende Routine, sowohl in der Verwaltung als auch für die politischen Prozesse.

 
Die Berücksichtigung des Öffentlichkeitsanteils

Bei der Gebührenkalkulation sind betriebsfremde Kosten abzugrenzen. Zu den betriebsfremden Kosten zählt auch ein Anteil für die öffentliche Inanspruchnahme der Friedhöfe. Dies sind beispielsweise Spaziergänger, die die Friedhofsfläche wie eine öffentliche Parkanlage nutzen. Der Öffentlichkeitsanteil im Bestattungswesen ist in Niedersachsen im Gegensatz zu anderen Gebührenarten nicht gesetzlich festgelegt.

Ein häufiger Fehler in diesem Bereich ist, dass auf die Berücksichtigung eines Öffentlichkeitsanteils verzichtet wird. Dies führt in der Regel zur Rechtswidrigkeit der Gebührensatzung, da in der Kalkulation nicht gebührenfähige Kosten berücksichtigt werden. Dies widerspricht dem Kostenüberschreitungsverbot. Ein weiterer häufiger Fehler ist, dass pauschal ein Öffentlichkeitsanteil in Höhe von beispielsweise 30 % abgezogen wird, ohne dass dieser im Einzelfall ermittelt bzw. begründet wurde. Ohne eine Ermittlung des Öffentlichkeitsanteils ist nicht auszuschließen, dass der Wert zu gering bemessen ist. Dies würde ebenfalls einen Verstoß gegen das Kostenüberschreitungsverbot darstellen. Der Wert könnte jedoch genauso gut zu niedrig bemessen sein - dies hätte einen negativen Einfluss auf das Gebührenaufkommen im Bestattungswesen. Ein weiteres Problem besteht darin, dass ohne eine sachgerechte Festlegung des Öffentlichkeitsanteils das ortsgesetzgeberische Ermessen nicht wahrgenommen werden kann, da es hierfür an den erforderlichen Informationen fehlt.

 
Strukturelles Gebührenungleichgewicht zwischen den Grabarten

Wie bereits ausgeführt wird in der Praxis häufig auf eine betriebswirtschaftliche Gebührenkalkulation verzichtet und stattdessen nach Bauchgefühl  oder anhand einer überschlägigen Einzelkostenermittlung die Gebührenhöhe festgelegt. Dies kann zu strukturellen Missverhältnissen zwischen den Grabnutzungsgebühren führen. Konkret bedeutet dies, dass der Deckungsbeitrag eines Gebührentarifs nicht ausreicht, um die hohen Gemeinkosten im Friedhofswesen angemessen zu tragen. Das bedeutet nicht zwingend, dass solche Tarife besonders gering ausfallen. Entscheidend ist dabei der Deckungsbeitrag eines Gebührentarifs. Durch Tarife mit einem zu geringen Deckungsbeitrag vergrößert sich tendenziell das Defizit im Bestattungswesen. Dies liegt zum einen daran, dass diese Tarife auch tendenziell häufiger nachgefragt werden, jedoch in der Gesamtbetrachtung keine zusätzlichen Bestattungen generieren. Stattdessen findet eine Abwanderung von Grabarten mit einem höheren Deckungsbeitrag statt. Durch diesen Effekt steigt das Defizit an.

In der Praxis stellt sich die Frage, wie derartige Probleme innerhalb der Gebührenstruktur vermieden werden können. Die Gebühr ist gemäß § 5 NKAG nach Art und Umfang der Inanspruchnahme zu bemessen. Das bedeutet, dass die Art und der Umfang der Inanspruchnahme eines Grabnutzungsrechtes an der öffentlichen Einrichtung Friedhofswesen zu definieren ist. Dies erfolgt in der Regel über definierbare Kriterien wie die Ruhezeit, die Größe des Grabes und weitere Merkmale, durch die sich die einzelnen Grabarten unterscheiden. Man spricht in diesem Zusammenhang von einem Wahrscheinlichkeitsmaßstab für das Maß der Inanspruchnahme. Die Ermittlung der einzelnen  Gebührentarife erfolgt dann im Rahmen einer Äquivalenzziffernkalkulation. Bei dieser Herangehensweise werden die Kosten der Kostenstelle „Grabstellen“ berücksichtigt, die Gebührenhöhe der einzelnen Tarife richtet sich jedoch nach Art und Umfang der Inanspruchnahme. Die Gefahr für strukturelle Fehlentwicklungen lässt sich so verringern.

In diesem Zusammenhang setzt sich in der Kalkulationspraxis zunehmend die Anwendung des Kölner Models durch. Diese Kalkulationsmethode geht davon aus, dass im Friedhofswesen ein bedeutender Anteil der Kosten unabhängig von der Größe einer Grabstelle anfällt. Aus Sicht des Verfassers ist diese Argumentation schlüssig und wirkt sich positiv auf die wahrgenommene Gebührengerechtigkeit aus. Die Herausforderung besteht darin, die neue Gebührensystematik der Politik sowie den Bürgerinnen und Bürgern zu vermitteln. Aus Sicht des Verfassers lohnt sich der Umstellungsaufwand jedoch.

 

  1. Fazit – Die Vorteile der betriebswirtschaftlichen Gebührenkalkulation nutzen

Die betriebswirtschaftliche Kalkulation der Friedhofsgebühren ist bereits aufgrund der Vielzahl  unterschiedlichster Gebührentarife aus Sicht des Verfassers die schwierigste Gebührenkalkulation auf kommunaler Ebene. Des Weiteren haben die Bestattungsgebühren eine hohe Außenwirkung und betriebswirtschaftliche Aspekte werden im politischen Prozess gerne zurückgestellt. Auf der anderen  Seite lohnt sich die Arbeit an einer betriebswirtschaftlichen Kalkulation schon zur Wahrung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Wer dabei die gröbsten und häufigsten Fehler vermeidet, kann kritischen Fragen und Klageandrohungen gelassen entgegensehen. Der Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit spielt für viele Kommunen in Niedersachen aber ebenfalls eine gewichtige Rolle. Auch aus finanziellen Aspekten lohnt sich eine betriebswirtschaftliche Friedhofsgebührenkalkulation.

Durch den Wandel in der Bestattungskultur wird insbesondere die strukturelle Anpassung der Grabstättengebühren an Bedeutung gewinnen. Andernfalls werden sich Fehlentwicklungen verstetigen, die sich negativ auf das Defizit im Bestattungswesen auswirken. Unabhängig von der Gebührenhöhe wird auch künftig neben den Feuerbestattungen die Nachfrage nach Erdbestattungen vorhanden sein. Auch die Grabarten für Erdbestattungen sollten von den Kommunen zu einer angemessenen und bezahlbaren Gebühr angeboten werden. Dies ist ohne Defizite nur möglich, wenn diese im Rahmen der betriebswirtschaftlichen Gebührenkalkulation berücksichtigt wird. Hierbei bietet sich für die Praxis die Anwendung des Kölner Modells an.

Durch eine regelmäßige Kalkulation werden außerdem größere Sprünge bei der Gebührenhöhe vermieden. Die Verwaltung kann des Weiteren im Rahmen der Kalkulation Ermessensspielräume anwenden, um der Entwicklung der Friedhofskultur Rechnung zu tragen. Der Verwaltungsaufwand einer regelmäßigen Gebührenkalkulation lohnt sich, denn im Ergebnis steht ein finanziell und organisatorisch gesundes und zukunftsfähiges Friedhofswesen.

 

 Der Verfasser:
Sebastian Hagedorn, Diplom-Verwaltungsbetriebswirt (FH), Inhaber GKN Gebührenkalkulation und Kommunalberatung Niedersachsen

Ehemaliger niedersächsischer Beamter in verschiedenen Kommunalverwaltungen. Praktische Leitungserfahrung in den Bereichen Ordnungsamt, Schulen, Jugend und Kultur sowie Controlling, Buchhaltung, Finanzen und Wirtschaft. Freier Dozent für verschiedene Bildungsträger und kommunale Spitzenverbände in Niedersachsen.

GKN Kommunalberatung ist auf die Rechtslage und Rechtsprechung in Niedersachsen spezialisiert. Die Schwerpunkte liegen in der betriebswirtschaftlichen Kalkulation von Friedhofs-, Feuerwehr- und Straßenreinigungsgebühren, Verrechnungssätzen für kommunale Bauhöfe sowie Seminare und Workshops zur Begleitung der hausinternen Kalkulation.

GKN Kommunalberatung, Meissnerweg 5, 31812 Bad Pyrmont

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